Kommunikationsgeheimnisse entschlüsseln: Wie man Emotionen versteht und Täuschung von Wahrheit unterscheiden kann

In der Welt des Coachings, der Personalentwicklung und des Hiring spielt emotionale Intelligenz eine immer größere Rolle. Es ist enorm wichtig, im Gespräch mit Bewerber*innen oder Mitarbeitenden die Reaktionen und Rückmeldungen richtig zu deuten. Dazu gehört auch, zu erkennen, wenn das Gegenüber vielleicht nicht ganz ehrlich ist und ihre/seine echten Gedanken oder Gefühle verbirgt, zum Beispiel aus Angst oder Unsicherheit.

Leicht gesagt. Denn aufgrund der vielschichtigen Natur menschlicher Kommunikation ist es eine sehr anspruchsvolle Herausforderung, die heute noch zusätzlich erschwert wird, wenn verschiedene Generationen und Ethnien zu berücksichtigen sind. Denn jede Gruppe bringt ihre eigenen Werte und Kommunikationsstile mit, von individuellen Faktoren mal ganz abgesehen.

Gut also, dass es Methoden gibt, mit der sich Informationen aus Mimik, Körpersprache, Stimme, dem Interaktionsstil , der Psychophysiologie und dem verbalen Ausdruck einer Person gewinnen lassen. Mit der SCAnS®- Methodik, entwickelt von der Emotional Intelligence Academy (EIA Group) in Manchester, können Coaches und Personalverantwortliche lernen, Feedbacksignale, die über diese Kanäle übermittelt werden, zu lesen und damit noch effektivere Unterstützung zu bieten. Die SCAnS®-Methode (Six Channel Analysis System) analysiert das Verhalten einer Person über sechs Kommunikationskanäle – Gesichtsausdruck, Körpersprache, Stimme, Interaktionsstil, verbale Inhalte und physiologische Reaktionen – um nonverbale Hinweise auf Emotionen und mögliche Täuschung zu identifizieren. Durch die Beobachtung dieser Kanäle können subtile Verhaltensänderungen erkannt werden, die oft als „Points of Interest“ gewertet werden, und eine tiefere Einsicht in die Glaubwürdigkeit und Emotionen des Gegenübers geben​.

Die Psychologie hinter Täuschung und Lügen

Effektive Kommunikation ist in jedem Personalentwicklungssetting unerlässlich, aber wie interpretieren Sie Feedbacksignale von Mitarbeitenden genau? Dies ist eine Frage, die viele Coaches und Personalverantwortlichen beschäftigt und die durch gezielte Planung und Vorbereitung angegangen werden kann. In diesem Beitrag betrachten wir die psychologischen Aspekte von Wahrheit und Lügen genauer und beleuchten Techniken, die zum Beispiel auch von Spezialsicherheitspersonal an wichtigen Flughäfen weltweit oder auch bei Interrogationen eingesetzt wird.

Dr. Paul Ekman, ein renommierter Psychologe und Pionier auf dem Gebiet der Emotionserkennung, hat bei seiner Forschung über Emotionen festgestellt, dass alle Menschen sieben universelle Emotionen auf die gleiche Weise zeigen, unabhängig von Ethnizität oder Kultur. Diese Emotionen sind Glück, Traurigkeit, Wut, Angst, Ekel, Verachtung und Überraschung und können durch Mikroexpressionen offenbart werden, die weniger als ein Fünftel einer Sekunde dauern. Wie sich diese Emotionen auf dem Gesicht manifestieren, lässt sich mit Fleiß und der richtigen Schulung erlernen. Es gibt jedoch keinen einzelnen Indikator für Täuschung, und wir müssen hart arbeiten, um uns auf alle Kommunikationskanäle zu konzentrieren, um Inkonsistenzen zu identifizieren.

Beim Erkennen von Täuschungen ist es entscheidend, den Konflikt zwischen Kognition und Emotion zu erkennen. Bei einer Lüge kollidieren sie wahrscheinlich und benötigen mehr Energie, da der Lügner sich an mehr Informationen erinnern muss. Dies kann die Wahrscheinlichkeit von Inkonsistenzen zwischen dem, was gesagt wird, und der auf dem Gesicht oder in der Körpersprache gezeigten Emotion erhöhen. Anstatt dies sofort als Lüge zu bezeichnen, ist es sicherer, es als Point of Interest (PIN) zu kennzeichnen und durch gezielte Fragen weitere Informationen zu sammeln.

Wir müssen wertfreie Beobachtungs- und aktive Zuhörfähigkeiten entwickeln, um Kommunikationssignale genau zu interpretieren. Dies erfordert das intensive Training von offener und achtsamer Wahrnehmung und der Fähigkeit, seinen eigenen „Senf“, also auch vorschnelle Urteile und Vorurteile, zurückzuhalten.

Wahrheit und Täuschung erkennen

Konsistenz erweist sich als ein zentraler Indikator für Authentizität und Ehrlichkeit. Spricht jemand die Wahrheit, so zeichnen sich seine Ausführungen durch eine fließende, nahtlose Abfolge aus, die einen synchronen und spontanen Rhythmus offenbart. Kognitive und emotionale Aspekte befinden sich in vollkommener Harmonie, frei von jeglichem Widerspruch. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass sich Gesprächspartner*innen mühelos an ein bestimmtes Ereignis erinnert, adäquate Details liefert und spontane Elemente hinzufügt, die durch das Erinnern des Geschehenen inspiriert wurden.

Die Herausforderung für die Interviewerin oder den Interviewer besteht darin, diese Vielfalt an Informationen aus allen verfügbaren Kanälen aufzunehmen und richtig zu interpretieren, während gleichzeitig die Formulierung der nächsten Frage erfolgt. Die erfreuliche Botschaft lautet, dass wir alle intuitiv darauf programmiert sind, diese Daten zu empfangen und zu deuten, und dass wir durch gezieltes Training und kontinuierliche Übung darin erhebliche Fertigkeiten entwickeln können. Dies ist ein Teil unseres evolutionären Erbes, denn die Deutung dieser Signale hat sich als vorteilhaft und überlebenswichtig erwiesen.

Die weniger erfreuliche Nachricht ist, dass es keinen alleinstehenden Anzeiger für Täuschung gibt – also leider auch keine Pinocchio-Nase –, sondern dass es erforderlich ist, unsere Aufmerksamkeit auf das gesamte Geschehen zu richten, um mögliche Anzeichen einer Täuschung zu identifizieren. Fachkräfte im Coaching- und Personalentwicklungsbereich müssen also unbedingt gut ausgeprägte Beobachtungsgaben und aktive Zuhörfertigkeiten entwickeln. Ebenfalls unerlässlich ist es, das „normale“ Verhalten des Gegenübers – die sogenannte Baseline[mm2]  – zu kennen. Dies ermöglicht es den Coaches, Verhaltensänderungen oder abweichende Reaktionen zu erkennen und zu verstehen, warum sie – in Abhängigkeit vom Kontext – aufgetreten sind.

Indem wir das psychologische Modell von Wahrheit und Täuschung verstehen und die notwendigen Fähigkeiten entwickeln, können wir die Kommunikationssignale unserer Gegenüber genau interpretieren und sinnvolle Unterstützung für ihre Entwicklung bieten.

Die 6 Kommunikationskanäle

Im Coaching, in der Personalentwicklung und auch bei der Auswertung von Vorstellungs- oder Mitarbeitergesprächen ist die Fähigkeit, Informationen oder Feedback von (eventuellen neuen) Mitarbeitenden genau zu lesen, entscheidend für den Erfolg. Es kann jedoch herausfordernd sein, alles, was gesagt oder getan wird, zu erfassen, insbesondere angesichts der vielen Nuancen des gesprochenen Wortes, wie Intonation, Tonhöhe und Klangfarbe. Einige Personen drücken sich sehr deutlich in ihrer Mimik aus, während andere mehr Informationen durch ihre nonverbale Aktivität, wie Körpersprache und Psychophysiologie, preisgeben.

Zu erkennen, wenn Menschen ihre wahren Gedanken und Gefühle verbergen, ist besonders wertvoll im Personalentwicklungsbereich, insbesondere wenn Angst oder mangelndes Selbstvertrauen vorhanden ist. Das kann ein Hindernis für erfolgreiche Kommunikation sein und sich nachteilig auf das Erreichen von Entwicklungszielen auswirken. Die Fähigkeit, Täuschung zu erkennen und Vermeidungsverhalten zu begrenzen, kann in verschiedenen Situationen einen erheblichen Unterschied machen, wie zum Beispiel bei der Leitung von Teambuilding-Veranstaltungen, der Rückmeldung zu schwierigen Leistungsproblemen, dem Coaching von Einzelpersonen oder der erfolgreichen Auswahl von Kandidaten bei der Besetzung von Top Positionen.

Dieser Artikel taucht ein in die Welt des emotionalen Bewusstseins und der Wissenschaft hinter der Untersuchung von Wahrheit und Täuschung und stützt sich auf die neuesten Forschungsergebnisse und Anwendungen. Indem Coaches und Personalverantwortliche Einblicke in die Hinweise gewinnen, die Emotionen und Anzeichen von Täuschung verraten, können sie ihre Effektivität steigern und Mitarbeitenden helfen, ihre Entwicklungsziele besser zu erreichen.

Um die Verhaltensweisen von Gesprächspartner*innen erfolgreich zu lesen, ist es wichtig, Signale aus den sechs Kommunikationskanälen zu erkennen. Mit der SCAnS-Methodik können Informationen aus Mimik, Körpersprache, Stimme, dem Interaktionsstil, der Psychophysiologie und dem verbalen Ausdruck gelesen und so Einblicke in die Emotionen, Denkprozesse und das Verhalten des Gegenübers gewonnen werden.

Mimik

Die Mimik verrät häufig echte Emotionen und kognitive Prozesse. Die Forschung von Charles Darwin und anderen Wissenschaftlern des 19. Jahrhunderts wurde von Paul Ekman, David Matsumoto und anderen weiterentwickelt und führte zu der Entdeckung, dass alle Menschen sieben universelle Emotionen auf die gleiche Weise zeigen. Diese Emotionen sind Glück, Traurigkeit, Wut, Angst, Ekel, Verachtung und Überraschung und können in weniger als einem Fünftel einer Sekunde unbeabsichtigt gezeigt werden. Man nennt diese Signale Mikroexpressionen.

Körpersprache

Körpersprache ist ein nonverbaler Kommunikationskanal, der zeigt, was Menschen denken und fühlen. Obwohl die Forschungsliteratur in Bezug auf Körpersprache und Täuschung nicht eindeutig ist und stark von Mythen und kulturellen Variablen beeinflusst wird, kann sie dennoch aufschlussreiche Einblicke in die Gedankenprozesse und Emotionen von Personen geben. Zum Beispiel kann das Kreuzen der Arme als Zeichen von Abwehr, Gelassenheit oder auch Zurückhaltung interpretiert werden, während häufiges Augenkontaktvermeiden auf Nervosität oder Unbehagen hindeuten kann. Diese Signale müssen jedoch stets im Kontext und unter Berücksichtigung kultureller Unterschiede interpretiert werden.

Stimme

Die Stimme, einschließlich Rhythmus, Tempo, Lautstärke und Tonhöhe, ist zum dominanten Kommunikationskanal geworden, aber zu viel Aufmerksamkeit darauf kann dazu führen, dass wir wichtige Hinweise in anderen Kanälen übersehen.

Verbaler Stil

Der verbale Stil ist die Struktur, Widersprüche und der Fluss der Worte, die Menschen verwenden, und kann ebenfalls wertvolle Informationen liefern. Indem wir das „normale“ Verhalten des Gegenübers kennen, können wir viel aus jeder Abweichung von dieser Baseline lernen, insbesondere im verbalen Stil.

Interaktionsstil

Auch die Art der Interaktion, also zum Beispiel Art der Worte, die Menschen verwenden, oder auch wann sie bestimme Worte verwenden, sind wichtige Hinweise, die hilfreich sind, um zwischen glaubwürdigen und unglaubwürdigen Aussagen unterscheiden zu können.

Psychophysiologie

Der Kanal der Psychophysiologie erfasst physiologische Signale, die mit Training und Übung manchmal auch ohne technische Hilfsmittel zu sehen und zu hören sind: also zum Beispiel Veränderungen in der Hautfarbe, Schweiß, Blutdruck, Atem, Mundtrockenheit, Blinzeln oder Pupillengröße.

Quellen

Archer, D., Lansley, C., & Garner, A. (2020). Keeping airports safe: the value of small talk.

Archer, D., & Lansley, C. (2015). Public appeals, news interviews and crocodile tears: an argument for multi-channel analysis. Corpora.

Ekman, P. (1999). Basic emotions. Handbook of cognition and emotion.

Ekman, P. (2003). BIOLOGICAL AND CULTURAL CONTRIBUTIONS TO BODY AND FACIAL MOVEMENT¹. The body: critical concepts in Sociology1, 10.

Ekman, P. (Ed.). (2006). Darwin and facial expression: A century of research in review. Ishk.

Lansley, c. (2017). Getting tot he Truth. A practical, scientific approach to behaviour analysis for professionals.

Lansley, C. (2020). Emotionintell: a generic Emotional Intelligence model (Doctoral dissertation, Manchester Metropolitan University in collaboration with Emotional Intelligence Academy (EIA)).

Matsumoto, D., & Ekman, P. (2008). Facial expression analysis. Scholarpedia.

Dieser Artikel wurde von Martina Möller geschrieben

Martina Möller ist Verhaltensanalystin (EIA/Manchester Metropolitan University Betriebswirtin, Heilpraktikerin für Psychotherapie und systemische Therapeutin.

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